Genossenschaften sind Teil einer demokratischen Wirtschaftsordnung. Es gab sie vor dem Kapitalismus vor allem in der bäuerlichen Welt, es gibt sie im Kapitalismus bereits in beachtlicher Vielfalt und Bedeutung und es muss sie nach dem Kapitalismus als dominante Unternehmensform geben.
Die Genossenschaft ist auf betrieblicher Ebene das Gegenmodell zur Aktiengesellschaft. Sie gründet auf dem demokratischen Grundsatz „ein Mensch, eine Stimme“, während die AG auf dem kapitalistischen Grundsatz „ein Anteilschein, eine Stimme“ basiert und einen demokratischen Anspruch schon gar nicht erhebt. Genossenschaften sind nicht an der Börse kotiert und damit den hier herrschenden Mechanismen, insbesondere der Profitmaximierungs-Logik, entzogen. Das ist der entscheidende Unterschied.
Die Genossenschaft wird im neuen Parteiprogramm der SP Schweiz als einer von sieben konkreten Wegen hin zu einer Wirtschaftsdemokratie beschrieben. Sie existiert nicht nur seit Jahrhunderten im bäuerlichen Bereich; auch die sozialistische Arbeiterbewegung hat mit einer Vielzahl von Konsum-, Wohnbau- und Produktivgenossenschaften eine Tradition begründet auf der sich aufbauen lässt. Mit der Bezeichnung „Eidgenossenschaft“ wird also nicht nur eine überwundene politische Vergangenheit benannt, sondern auch programmatisch eine wirtschaftliche Zukunft.
Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Genossenschaften ist bereits heute unübersehbar. Im wichtigen Sektor Detailhandel spielen sie eine führende Rolle (Coop, Migros), im Finanzwesen (Raiffeisen-Bank, Mobiliar-Versicherung) und im Wohnungswesen eine bedeutende, im Verkehr (Mobility) eine innovative. Die meisten europäischen Lebensversicherungen sind Genossenschaften, und besonders eindrucksvoll ist der spanische Genossenschaftsverband „Mondragòn“, ein multinationaler Industriekonzern und siebtgrösstes Unternehmen des Landes.
Angesichts der gigantischen Flurschäden, die der profitgetriebene Kapitalismus regelmässig anrichtet, ist der Ausbau des genossenschaftlichen Sektors der Volkswirtschaft unabdingbar. Es ist die historische Aufgabe der Sozialdemokratie, eine konkrete Politik der Umgestaltung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung hin zu einer demokratischen zu entwickeln. Dabei wird der Förderung der Genossenschaften eine zentrale Rolle zukommen. Sie wird sich aber nicht damit zufrieden geben dürfen, die Menge genossenschaftlich organisierter Betriebe zu vergrössern, denn es stellen sich auch qualitative Fragen wie etwa die nach der echten demokratischen Mitbestimmung der Mitglieder von Gross-Genossenschaften wie Coop oder Migros. Davon ist heute leider nicht mehr viel vorhanden. Eine moderne Genossenschaftspolitik muss sich dieser Frage annehmen und muss überzeugende Antworten finden.