Pirmin Bischof, CVP-Ständerat (SO)
«AHV gerät in Schieflage» oder «Wie wir die AHV retten» titelten Schweizer Zeitungen im September. Was war geschehen? Bundesrat Alain Berset kündigte für Ende Jahr eine Reform der Altersvorsorge an. Eine Expertise mit dem Titel «Babyboom-Generation und AHV 2010–2060» prognostiziert, dass 2030 eine Riesenlücke in der AHV-Kasse von 5 bis
11 Milliarden Franken klafft.
Brutal sind die Lösungsvorschläge: Erstens eine schrittweise Erhöhung des Rentenalters auf 70 Jahre oder zweitens eine Erhöhung der Lohnbeiträge von heute 8,4 auf 11,3 Prozent, drittens eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 2,8 Prozent oder gar viertens: Rentenkürzungen um 0,4 bis 0,5 Prozent pro Jahr. Es fehlte nur der Vermerk: «Gewünschtes ankreuzen».
Es ist richtig und wichtig, unser wichtigstes Sozialwerk, die AHV, langfristig abzusichern. Breite Angst vor Armut im Alter wäre für ein reiches Land wie die Schweiz eine Schande. Die Altersvorsorge, die unsere Eltern und Grosseltern seit 1948 mit der Einführung der AHV begonnen und seither schrittweise ausgebaut haben, gehört zum sozialen Fundament unseres Landes. Soeben haben OECD und Weltbank unserem «Dreisäulenkonzept» aus AHV (1. Säule), beruflicher
Vorsorge (2. Säule) und privatem Alterssparen (3. Säule) weltweiten Modellcharakter attestiert.
Nachhaltigkeit und Vorausschauen sind existenziell für die AHV. Dennoch sind Prognosen nicht immer für bare Münze zu nehmen. 1997 hat der Bundesrat die Zukunft der AHV schon einmal von Experten berechnen lassen. Das Ergebnis war
alarmierend: Bis 2010 würden der AHV 15 Milliarden fehlen. Heute wissen wir: Die Zahl der Beitragszahler ist nicht wie prognostiziert gesunken, sondern von 3,8 auf 5,1 Millionen gestiegen. Der AHV-Fonds hat kein Loch von 15 Milliarden, sondern einen Überschuss von 2 Milliarden, weil mehr Ausländer eingewandert sind und mehr Frauen arbeiten.
Und dennoch: Die neue Studie soll nicht ins Lächerliche gezogen werden. Die Überalterung der Gesellschaft nimmt zu und die Einwanderung in unser kleines Land kann nicht unbeschränkt steigen. Es kann auch nicht sein, dass trotz «Kapitaldeckungsverfahren» in der 2. Säule die Aktiven die Renten der Pensionierten zunehmend mitbezahlen, statt voll für ihr eigenes Alter ansparen zu können. Was ist zu tun?
REIZWORT «RENTENALTER»: Grosse Würfe wie «Rentenalter 67» oder gar 70 sind zum Scheitern verurteilt. Die Schweiz ist mit schrittweisem Vorgehen und regelmässigem «Nachjustieren» gut gefahren. Es ist auch kein biblisches Gebot, dass das Rentenalter für alle gleich sein muss. Laut Sterbestatistik leben 65-jährige Männer mit Hochschulabschluss 2,7 Jahre länger als Männer mit Primarschulabschluss. Kommt hinzu, dass Akademiker wegen der langen Ausbildung mit 65 oft weniger Beitragsjahre aufweisen. Wäre es nicht denkbar, dass der Hilfsarbeiter und die Verkäuferin früher in Rente gehen können als der Arzt und die Anwältin?
REIZWORT «RENTENVORBEZUG»: Heute ist es möglich, Alterskapital aus der 2. Säule vorzeitig zu beziehen, um Wohneigentum zu erwerben oder um sich selbstständig zu machen. Die gewonnene Freiheit hat einen Haken: Wenn das Geld schlecht angelegt wird (was leider oft vorgekommen ist), fehlt es im Alter. Die Vorbezüger sind dann im Alter auf Ergänzungsleistungen angewiesen, obwohl eigentlich genügend Kapital für einen sorgenfreien Lebensabend vorhanden gewesen wäre. Sollte nicht dieser Kapitalbezug eingeschränkt oder verboten werden?
REIZWORT «RENTENSENKUNG»: Der Vorschlag, die AHV-Renten zu senken, dürfte kaum ernst gemeint sein. Tatsache ist, dass wer nur auf eine AHV-Rente angewiesen ist, oft davon nicht leben kann und auf Ergänzungsleistungen angewiesen
ist. Auch 27 Jahre nach Einführung der obligatorischen 2. Säule ist die von der Bundesverfassung deklarierte «Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise» für viele ältere Menschen in unserem Lande nicht garantiert.
FAZIT: BEI DER Altersvorsorge ist Panik fehl am Platz, Sorge darum aber eine Daueraufgabe. Gerade den Wirtschaftsführern sei ins Stammbuch geschrieben: Die Alterssicherung ist ein Eckstein der Stabilität der Schweiz und damit ein Standortvorteil für die ganz Wirtschaft. Tragen wir Sorge zu ihr!