Ein Asylmoratorium und damit die Verweigerung auch der vorläufigen Hilfe an Kriegsflüchtlinge machen uns zu Komplizen der Schlepper des Elends. Ein Aufnahmestopp verletzt meines Erachtens auch die Grundidee unserer Bundesverfassung, die gebietet, den Schwachen Schutz zu gewähren und die Würde eines jeden Menschen zu achten und zu schützen. Schliesslich und endlich hätte das Asylmoratorium auch bedeutet, dass eingereichte Gesuche während eines Jahres nicht mehr behandelt worden wären. Es ist dies die krasseste Form der Rechtsverweigerung und der Negierung der Verpflichtungen eines Rechtsstaates.
Es braucht eine flächendeckende europäische Lösung
Ich bin überzeugt, dass die riesigen Flüchtlingsströme Richtung Europa in den nächsten Monaten, ja vielleicht sogar Jahren nicht abreissen werden. Wenn wir nun seit Wochen, ja Monaten über die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative und über Schutzklauseln sprechen, so könnte diese Diskussion in der nächsten Zeit sehr rasch von den Flüchtlingsströmen Richtung Europa weggeschwemmt werden. In der Tat, als Land mitten in Europa werden wir uns der notwendigen Diskussion um die Verteilung von Flüchtlingen und damit der Übernahme von Mitverantwortung weder entziehen können noch entziehen dürfen. Die Bürde der heutigen Flüchtlingsströme kann nicht einfach von drei, vier oder fünf Ländern in diesem Europa getragen werden: Es braucht eine flächendeckende europäische Lösung. Als Mitglied zumindest auch des Dublin-Raums sind wir hier gefordert.
3000 Personen aus Syrien in die Schweiz
Der Bundesrat hat im März dieses Jahres beschlossen, verteilt auf einen Zeitraum von drei Jahren, schrittweise maximal 3000 Personen aus der Krisenregion Syrien aufzunehmen. Die Aufnahme ist meines Wissens in Gang. Wenn sie etwas langsamer erfolgt als erwartet, so hat das wahrscheinlich auch damit zu tun, dass man Abklärungen zu den einzelnen Personen trifft, damit man zwischen Tätern, Opfern, Kriminellen und Dschihadisten unterscheiden kann. Das ist richtig und kann aus Sicht einer konsequenten Asylpolitik nur unterstützt werden.
Christliche und humanitäre Mitverantwortung
Ich bin überzeugt, dass sich die Schweiz in den kommenden Tagen und Wochen bei der Suche nach einer Lösung für eine europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik konstruktiv in die sehr schwierige Debatte einbringen muss. Ein konstruktives Einbringen in die Bewältigung des Flüchtlingselendes würde für mich heissen, dass die Schweiz ein zusätzliches Angebot zur übergangsweisen humanitären Aufnahme von z. B. 5000 Kriegsflüchtlingen macht. Das verlangt nach meinem Verständnis auch unsere christliche und humanitäre Mitverantwortung. Wir leben in einer Zeit der sekundenschnellen Informationsübermittlung von überallher. Wir können wissen, wo und wann in einem Kriegsgebiet und in den angrenzenden Staaten was geschieht. Niemand in diesem Land wird je sagen können, er habe es nicht gewusst. Wir wissen es.