«Hausdurchsuchung bei Blocher», «Hat Blocher das Bankgeheimnis verletzt?», so und ähnlich titelte die Presse kürzlich, als die Zürcher Staatsanwaltschaft gegen einen der reichsten und einflussreichsten Schweizer ein Strafverfahren eröffnete. Abgesehen vom «Promi»- und «Crime»-Effekt: Was geht uns dieser Fall an? Was ist schon dabei, wenn man das Bankgeheimnis verletzt? Ist es nicht sowieso tot? Ganz und gar nicht! Das sagt die CVP und plädiert dafür, das Bankkunden- wie auch das Arzt- und das Anwaltsgeheimnis nicht verludern zu lassen, sondern diese Pfeiler unserer Privatsphäre zu verteidigen und strafrechtlich besser zu schützen.
Mit grossem Getöse wurde die Frage diskutiert, ob Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand hätte einschreiten müssen, als seine Ehefrau einen Dollarkauf tätigte. Die Meinungen waren geteilt. Hildebrand trat zurück.
Was ist geschehen?
Im Schatten blieb lange die Frage, warum der «Fall» an die Öffentlichkeit kam. Inzwischen wissen wir, dass ein Bankmitarbeiter die Kundendaten des Ehepaars Hildebrand in der Bank heimlich gestohlen und Exponenten der grössten schweizerischen Partei diese gestohlenen Daten an die Bundesbehörden und ein nahestehendes Presseorgan weitergaben. Im Gegensatz zum obigen Dollarkauf ist die Verletzung des Bankgeheimnisses ein schwerer Straftatbestand, der mit Gefängnis bis zu drei Jahren geahndet wird. Die Staatsanwaltschaft hat deshalb Einvernahmen und Hausdurchsuchungen bei den Verdächtigen vorgenommen. Richtigerweise behandelt sie dabei Milliardäre gleich wie «normale» Schweizerinnen und Schweizer. Und pikanterweise handelt es sich dabei um Exponenten der gleichen Partei, die seit Jahren vorgibt, das Bankkundengeheimnis zu schützen und es sogar in der Verfassung verankern will. Mit Recht verurteilte die gleiche Partei noch vor kurzem scharf, dass die deutsche Regierung gestohlene Schweizer Bankkundendaten erwarb und verwendete.
Die Reaktion folgt nun postwendend: Die deutsche Finanzpresse empfiehlt der Schweiz hämisch, nie mehr Deutschland wegen der Verwendung gestohlener Bankdaten zu kritisieren, da nun ja Exponenten der grössten schweizerischen Partei das gleiche täten. SVP-Vizepräsident Christoph Blocher (im Email-Verkehr der Exponenten «Chef» genannt) bestritt zunächst, gestohlene Bankdaten verwendet zu haben, wurde dann von Journalisten auf zunehmende Widersprüche angesprochen und erklärte sein Handeln schliesslich mit den Worten: «Wir lügen ja den ganzen Tag.»
Geharnischte Reaktionen
Fachleute reagieren entsetzt. «Durch den Datenklau ist ein schwerer Schaden für den Finanzplatz und die politischen Institutionen generell entstanden», meinte Economiesuisse-Präsident Gerold Bührer. «Ein Datenklau ist das Schlimmste, was einer Bank passieren kann», bekräftigte Christoph Gloor, der Vizepräsident der Vereinigung Schweizerischer Privatbankiers. Und selbst die sonst so zurückhaltende «Neue Zürcher Zeitung » fragt: «Hat Christoph Blocher…gelogen? Diesen Fragen muss sich der starke Mann der SVP stellen, zumal es ihm als gewesenem Justizminister schlecht anstünde, mit entwendeten Bankdaten zu hausieren.» Die NZZ fordert: «Die Verantwortlichen sind für allfällig straf- und medienrechtliche Verfehlungen schonungslos zur Verantwortung zu ziehen. Das gilt insbesondere für Christoph Blocher selbst.»
Braucht es ein Bankgeheimnis?
Die schweizerische Form des Bankgeheimnisses ist ein Bankkundengeheimnis. Geschützt ist nicht die Bank, sondern die Bankkundin. So ist es auch mit dem Arzt- und dem Anwaltsgeheimnis: Geschützt ist nicht der Arzt oder die Anwältin, sondern deren Patientin und deren Klient. Sie werden davor geschützt, dass mit ihren privaten oder sogar geheimen Daten Schindluderei getrieben wird. Es geht meine Nachbarn nichts an, welche Krankheiten ich habe und welche Medikamente ich nehme. Es geht die Zeitung nichts an, welche Unterhaltsstreitigkeiten ich mit meinem Exmann habe. Und es geht meine Vereinskollegen nichts an, welches Bankkonto ich geerbt habe. Ausser ich sage es ihnen. Das Bank-, das Arzt- und das Anwaltsgeheimnis haben also nichts mit Steuerhinterziehung zu tun, obwohl es dafür missbraucht werden kann. Die Missbräuche sind zu bekämpfen, aber das Geheimnis ist konsequent gegen Verletzungen zu schützen. Der Anspruch auf Privatsphäre ist nichts Böses, auch nichts Anrüchiges, sondern ein wesentliches Grundrecht in e nem freiheitlichen Rechtsstaat. Aus diesem Grunde werden Ärzte, Anwälte und Bankangestellte, also die besonderen «Geheimnisträger» strafrechtlich verfolgt und und mit Gefängnis bestraft, wenn sie solche privilegierten Informationen ihrer Patienten, Klienten und Bankkunden verraten. Zu Recht! Und bestraft wird zu Recht auch, wer ihnen dabei hilft oder sie dazu anstiftet.
Empfindliche Löcher im Bankgeheimnis
Ereignisse der letzten Monate wie der Fall Blocher/Hildebrand, aber auch die gestohlenen Bankdaten-CDs, die in Frankreich und Deutschland aufgetaucht sind, haben nun aber gezeigt, dass der strafrechtliche Schutz des schweizerischen Bankgeheimnisses empfindliche Lücken aufweist. So bestraft Artikel 47 des Bankengesetzes zwar die Geheimnisverletzung durch einen Mitarbeitenden der Bank, ebenso die Anstiftung, den Anstiftungsversuch und die Gehilfenschaft, nicht aber die Weitergabe, Verwendung und Publikation der gestohlenen Bankdaten. Ähnliches gilt für die Verletzung des Fabrikationsund Geschäftsgeheimnisses, den wirtschaftlichen Nachrichtendienst und die unbefugte Datenbeschaffung. Artikel 160 des Strafgesetzbuches bestraft zwar die Hehlerei. Diese umfasst aber nach Lehre und Rechtsprechung nur körperliche «Sachen», nicht aber elektronische Daten. Das unbefriedigende Ergebnis: Heute bleiben Hehler und andere Mittelsmänner bei Datendiebstählen oft straflos. Im strafrechtlichen Schutz der Privatsphäre, aber auch der schweizerischen Wirtschaftsordnung, klaffen damit empfindliche Lücken.
Die CVP fordert deshalb in einem neuen Positionspapier und mit gleichzeitigen Vorstössen in der Frühjahrssession in National- und Ständerat den Bundesrat auf, die heutigen Lücken bei der Strafbarkeit der Weitergabe, Verwendung und Publikation von unrechtmässig erworbenen Daten, insbesondere Arzt-, Anwalts- und Bankdaten, zu schliessen und ein kohärentes Schutzsystem vorzuschlagen.