Im Jahr 2001 erklärte das Bundesamt für Statistik, die Schweizer Bevölkerung steige in den nächsten 30 Jahren auf 7,4 Millionen Menschen. Avenir Suisse prognostizierte vor kurzem, die Schweiz werde in 50 Jahren 9 Millionen Leute haben. Die 7,4 Millionen hatten wir bereits 2004 erreicht, das Bundesamt für Statistik hat sich blamiert. Bleibt das Bevölkerungswachstum gleich, werden wir die 9-Millionen-Marke schon in 12 Jahren erreichen. Avenir Suisse wird sich ebenfalls blamieren.
Schon eher zutreffend ist da die kürzlich publizierte Studie „Struktur der Schweizer Wirtschaft 1998–2020“ des Chefökonomen der Credit Suisse. Dieser rechnet mit einer Zunahme der Bevölkerung um eine Million innerhalb von zehn Jahren. Solche Szenarien werfen Fragen auf.
Es ist ein Irrglaube, mehr Einwanderung bringe mehr Wirtschaftswachstum und damit automatisch auch mehr Wohlstand für alle. Heute bauen Einwanderer Wohnungen für andere Einwanderer, ausländisches Pflegepersonal pflegt andere Ausländer. Quantitatives Wirtschaftswachstum wird zum reinen Selbstzweck, verschleisst aber Unmengen unserer begrenzten natürlichen Ressourcen. Eigentliches Wohlstandsbarometer ist jedoch das Wachstum beim Bruttoinland pro Kopf. Und dieses ist im Jahr 2009 gesunken. Der Kuchen wird zwar grösser, muss aber durch immer mehr Leute geteilt werden.
Für ein Wirtschaftswachstum, welches allen Menschen dient, sind andere Faktoren wichtig. Ein flexibler Arbeitsmarkt, Bildung, modernste Produktionstechnik, hohe Produktivität, massvolle Regulierungen, wenig Bürokratie, stabile politische Verhältnisse und intakte Infrastrukturen sind es, die nutzenstiftend für alle Menschen in diesem Lande sind.
Zu bedenken sind diesbezüglich auch die Zahlen des Umweltdepartementes (UVEK), das uns in seinem Strategiebericht „Zukunft der nationalen Infrastrukturnetze in der Schweiz“ vorrechnet, dass die Schweiz in den nächsten 20 Jahren rund 200 Milliarden Franken in seine Infrastruktur im Bereich Verkehr, Strom, Gas und Telekommunikation investieren muss, um nicht im totalen Kollaps zu enden.
Gemeinsam ist dieser Zahlenflut von Szenarien und Berechnungen, dass sie sich auf rein quantitative Aussagen beschränken. Die Botschaft lautet: Von allem mehr ist möglich, von allem mehr ist nötig, Wohlstand sei mit mehr Wachstum zu erreichen. Die Frage aber, ob mehr Wachstum auf die Dauer zu mehr Lebensqualität führt, ist nicht mehr einfach mit einem Ja zu beantworten, wenn unter Lebensqualität auch Platz und Raum verstanden wird. Noch gehört es beispielsweise zum Programm des Kantons Aargau, dass in den Agglomerationen der vom Wohnort nächstgelegene Erholungsraum in 15 Minuten zu Fuss erreichbar sein soll. Wie lange noch?
Auffallend ist, dass man der Frage, wie viele Menschen dieses Land erträgt, ausweicht. Dabei liegt es doch auf der Hand, was selbst im UVEK-Bericht steht: „Eine wachsende Bevölkerung hat naturgemäss eine grössere Nachfrage nach Infrastrukturdienstleistungen zur Folge.“ Wer ein Bevölkerungswachstum von jährlich 100‘000 Menschen hinnimmt, muss sich die Fragen gefallen lassen, ob er zusätzliche Kernkraftwerke will, wie der CO2-Ausstoss gesenkt werden soll, wie dem weiteren Landverschleiss begegnet werden kann, wie die riesigen Investitionen in zusätzliche Infrastrukturen und deren Unterhalt zu finanzieren sind, wie Nahrungsmittel für immer mehr auf immer weniger Fläche produziert werden sollen.
Das schweizerische Mittelland gehört heute zu den zehn am dichtest bebauten Gebieten der gesamten Erde. Was dies bedeutet, lässt sich am Beispiel Hollands dokumentieren: Dichtestress verursacht Aggressionen und Gewalttätigkeit. Dadurch lässt das Sicherheitsgefühl der Menschen nach, Angst macht sich breit. Aus Wachstum wird nicht mehr Wohlstand, sondern weniger Lebensqualität.
Auch die Sicherung unserer Altersvorsorge lässt sich mit Bevölkerungswachstum nicht garantieren. Denn Migranten werden ebenfalls älter und haben das Recht auf eine Altersrente, was in dieser Logik zu noch mehr Einwanderung führen würde.