In der Nationalrats-Debatte um die Grösse der Armee und um neue Kampfjets sagte VBS-Chef Ueli Maurer, eine 80'000er Armee koste eigentlich 5 Milliarden Franken (und nicht 4,4 Milliarden, wie es der Bundesrat beschlossen hat). Nun fasste die grosse Kammer folgenden Beschluss: Mit den gleichen 5 Milliarden sollen 100'000 Soldaten, also 20'000 mehr, und zusätzlich 22 neue Kampfjets und weitere Rüstungsgüter wie Radschützenpanzer finanziert werden. Diese Rechnung ist offensichtlich unsinnig. Selbst die wieder militärköpfig gewordene NZZ setzte über den Kommentar den Titel: "Noch keine ehrliche Lösung".
SR: materiell wahnsinnig, formal korrekt
Der Ständerat hatte zwar im Juni auch eine Luxusarmee beschlossen. Dabei hat er aber festgehalten, dass zusätzlich zum Betrag für die 100'000 Soldaten 5 Milliarden für die 22 neuen Kampfjets und 1,2 Milliarden für Panzer gesondert zu beschliessen und finanzieren seien. Darüber könnte das Volk dann abstimmen. In anderen Worten: Der Entscheid des Ständerats ist zwar wahnsinnig teuer, formal aber ist er korrekt.
NR: materiell unsinnig, formal unkorrekt
Was ist der Sinn der absurden Rechnung des Nationalrats? Dessen rechte Mehrheit will unter allen Umständen eine Volksabstimmung verhindern. Die Armeefans wissen, dass gemäss einer kürzlichen Umfrage von Economie Suisse nur jeder 20. Schweizer höhere Militärausgaben befürwortet. Zudem befürchten sie, dass der schwelende Konflikt zwischen Boden und Luft, zwischen Heer und Luftwaffe in einem Abstimmungskampf öffentlich ausbrechen könnte. Eine Spaltung der Armee würde die Chancen für die Kampfjets an der Urne zusätzlich mindern. Zusammengefasst: Der Nationalrat fasste einen Entscheid, der materiell nicht aufgeht und deshalb unsinnig ist, aber auch formal unkorrekt ist,
Erneuerbare Energien statt neue Kampfjets
Ausgerechnet die SVP, die über zwei neue Minarette abstimmen liess, will eine Abstimmung über 22 neue Kampfjets verhindern. Die FDP und die CVP-Mehrheit machen da mit - mindestens im Nationalrat. Dabei werden die Minarette von den Gläubigen selber bezahlt, während der Kauf der Kampfjets auf Kosten des Öffentlichen Verkehrs, der Erneuerbaren Energien, der Bildung und Forschung, der Sozialwerke, der Landwirtschaft und weiterer nützlicher Investitionen geht. Dabei liegen die wahren Risiken heute in den AKW, in der Klimarwärmung, in den Umweltkatastrophen, aber nicht bei einem "böfei"*, den niemand benennen kann.
SVP: antiliberal und undemokratisch
Für die SVP sind die Volksrechte nicht primär dazu da, die Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft zu verstärken, das Volk zu ermächtigen. Sie missbraucht sie als Mittel der Ausgrenzung gegen Minderheiten, Andersgläubige, Andersdenkende. Wer den Ausbau der Volksrechte, die Verfeinerung der direkten Demokratie und die Wahrung der Grundrechte will, wählt die laut NZZ am Sonntag gesellschaftlich und politisch liberalste Partei des Landes: die Grünen!
Das letzte Wort dem Volk - trotz SVP
Zum Schluss noch dies: Sollte der Ständerat auf den Nationalrat einschwenken und sollte der Bundesrat auf seinen Verzichts-Entscheid vom August 2010 zurück kommen, dann sorgen wir dafür, dass das Volk das letzte Wort haben wird - trotz SVP!
*böfei war zu meiner Militärdienstzeit in den 70er und 80er Jahren eine geläufige und selbstironische Abkürzung für "bösen Feind".