Wer sich mit seinem biologischen Geschlecht nicht eins fühlt, soll es ruck, zuck wechseln können. Das schlägt der Bundesrat vor. Muss es wirklich so einfach sein? Geht es um das Geschlecht, zählt heute nicht mehr, was man biologisch ist, sondern was man sein WILL.
Immer mehr westliche Staaten überlassen es mittlerweile der Selbsteinschätzung der Einzelnen, was sie sein möchten: Mann, Frau oder vielleicht auch etwas anderes. Auch die Schweiz zieht jetzt nach.
Neue Konstellationen
Nun hängt am Geschlecht rechtlich gesehen so einiges: Ehe, Verwandtschaft, Militär oder AHV. Alles kein Problem, meint der Bundesrat. Eine bereits bestehende Ehe soll geschlossen bleiben, auch wenn der eine Gatte das Geschlecht wechselt und die Verbindung ab diesem Moment aus zwei Männern bzw. aus zwei Frauen besteht; ob der andere Ehepartner damit einverstanden ist, spielt keine Rolle. Eine eingetragene Partnerschaft zwischen zwei ursprünglich Gleichgeschlechtlichen bleibt ebenfalls bestehen, obwohl es sich nach dem Geschlechtswechsel des einen Partners neu um eine Verbindung von Mann und Frau und damit eigentlich um eine Ehe handelt. Neue Konstellationen ergeben sich auch beim Abstammungsrecht. Wird ein Mann amtlich zur Frau, ohne dabei medizinische Eingriffe vorzunehmen, kann er bzw. sie ein Kind zeugen, während eine Frau, die im Personenstandsregister zum Mann geworden ist, später noch ein Kind gebären kann. Alles halb so wild, meint die Landesregierung. Jene Person, die gebärt, soll weiterhin als Mutter des Kindes gelten, selbst wenn sie neuerdings offiziell ein Mann ist. Und der Ehemann einer Mutter wird weiterhin der Vater des Kindes sein, auch wenn er neu dem weiblichen Geschlecht angehört.
Andere Fragen stellen sich rund um den Militärdienst und die Altersrente. Was gilt, wenn ein junger Mann das Geschlecht wechselt, um sich der Militärdienstpflicht zu entziehen? Oder wenn ein 63-Jähriger zur Frau wird, um früher die AHV zu erhalten? Auch hier ortet der Bundesrat keinerlei Schwierigkeiten und meint, dass die zuständigen Behörden die im Personenstandsregister eingetragene Geschlechtsänderung in solchen Fällen einfach nicht berücksichtigen sollten.
Skeptische Kantone
Die grosse Mehrheit der Kantone beurteilt die rechtlichen Implikationen bei weitem nicht so locker wie die Landesregierung und steht dem Vorhaben skeptisch bis ablehnend gegenüber, wie sich in der Vernehmlassung gezeigt hat. Und das mit gutem Grund. Warum es nötig sein soll, von heute auf morgen das Geschlecht wechseln zu dürfen, ist nicht einsichtig. Wer beispielsweise seinen Namen ändern möchte, muss dazu ein behördliches Verfahren durchlaufen und achtenswerte Gründe anführen, damit sein Gesuch bewilligt wird. Warum kann man das für die Geschlechtsänderung, die ja viel weitergehende Konsequenzen zeitigt, nicht auch verlangen? Warum keine Wartefrist einführen, um zu sehen, wie fest die innere Überzeugung tatsächlich ist? Und müsste man bei verheirateten Personen nicht zumindest den anderen Ehegatten anhören und ihm die Möglichkeit geben, sich vor dem Geschlechtswechsel seines Partners scheiden zu lassen.