Es war ja sehr schwierig in den vergangenen Tagen die Fakten zum Fall Hildebrand aus den Zeitungen zu lesen - Da war so unerträglich viel politische Propaganda von beiden Seiten! Manchmal frage ich mich, ob die Zeitungen das was sie schreiben auch wirklich glauben! - Die NZZ schrieb noch vor wenigen Stunden, dass Hildebrand sehr wahrscheinlich nichts von der Transaktion am 15. August gewusst habe. Für die Stabilität der Notenbank und unserer Währung sind solche Aussagen wohl auch richtig. Aber glaubten die Journalisten der NZZ wirklich im Ernst selber daran?
Wenn man mal versucht, sich ein unvoreingenommenes Bild des Geschehenen zu machen - Ganz ohne Parteipolitik, ohne Blocher, SVP & CO: Dann ist doch die Version von Hildebrand höchst unglaubwürdig! Seine Frau hat ein halbes Jahressalär von CHF in USD auf seinem eigenen Konto umgewandelt und er will nichts davon gewusst haben? Und dann die Kontenbewegungen: Da läuft also lange nichts auf diesem Konto. Dann, am 15. August, tätigt Herr Hildebrand zwei Aktienkäufe (Da ist ja unbestritten, dass er diese selber vornahm). Dann der eine Devisenkauf, und danach nochmals 3 Aktienkäufe von Herrn H. - Warum sollte gerade die Devisentransaktion von seiner Frau ausgeführt sein? Und er hat nichts bemerkt? Normalerweise überprüft man doch den Saldo, oder telefoniert mit dem Kundenberater, vor man Aktien kauft. Und heute wurde ja auch noch bekannt: Frau Hildebrand habe den Auftrag zur Devisentransaktion mündlich in ihrer Gallerie gegeben? (sonst gäbe es ja eine Telefon Aufzeichnung) ...
Und auch die Geschichten über das 'Warum' der USD: Zuerst sollte ja glaubhaft gemacht werden, dass Frau H. für ihre Galerie USD gebraucht hat. Das war aber schnell wiederlegt. Dann kam die Geschichte mit den 50%: Warum bitte sollte der oberste Währungshüter 50% seines Geldes in USD halten? Glaubt der Mann nicht an den Schweizer Franken? Der CEO von Mercedes fährt ja auch keinen Lexus ...
Wenn da Blocher nicht im Spiel wäre und der Mann nicht so beliebt wäre, wer würde ihm so eine Geschichte abkaufen? Ich denke, da käme er auch bei den meisten Gerichten wohl nicht durch damit ... oder sehe ich da was falsch? Hab ich was grundsätzliches übersehen?
Was also war wirklich geschehen?
Sind die Emails also gefälscht? Ich glaube nicht, aber möglich. Dafür würde auch sprechen, dass er so schnell zurückgetreten ist, noch vor der ersten Anhörung von Parlamentariern: Weil nämlich seine Geschichten einer Überprüfung nicht standgehalten hätten.
Viel wahrscheinlicher scheint mir jedoch die Folgende Geschichte: Am 15. August, als H. sein persönliches Portfolio optimiert, will er CHF in USD wechseln. Es geht ja nicht um eine riesige Summe, aber "mit einem Knopfdruck 75'000 CHF verdienen" (Wie Cedric Wermuth sagte) reizt ihn schon. Er ist sich natürlich bewusst, dass die Transaktion problematisch ist. Was macht er also? Er ruft seine Frau an und bittet sie die Transaktion zu tätigen ... und geht am nächsten Tag zum Compliance Officer, der sie ihm absegnet. Oder war es umgekehrt? Vielleicht drängte seine Frau ihn zum Kauf, er sagt, dass dies zu riskant sei zum jetzigen Zeitpunkt, aber wenn sie es ohne sein Wissen tue ...
Kultur des Bereicherns
Einige haben argumentiert, dass H., wenn er sich bereichern wollte, viel grössere Dinge machen würde. Der Punkt ist: Er wollte ja nicht seinen Job riskieren! Nein, er würde nur genau soviel machen, wie eben noch 'tolerierbar' ist und/oder nicht auffliegt. Dann aber öfter mal, so kommt dann ja auch etwas zusammen ...
Ich kenne diese Kultur ja auch ein wenig(*): Es ist in Ordnung, sich zu bereichern, sofern man unter dem Radar bleibt. Sofern man sich also (a) gut rechtfertigen kann, und/oder (b) nicht erwischen lässt. Unter Freunden wird man ja oft noch als besonders clever gefeiert und hoch angesehen.
Es ist aber an Uns (Gesetzgeber & Mediale Öffentlichkeit), da klare Grenzen zu setzen.
Haben also alle im Fall Hildebrand verloren, wie es heute auf Twitter oft zu lesen war? - Nein, ich glaube langfristig haben wir alle gewonnen: Mit der Affäre Hildebrand werden wohl alle in entsprechenden Positionen viel vorsichtiger sein mit Insider Deals und Geschäften in die eigene Tasche!
Nachfolge Artikel: Brauchen wir Ombudsleute für Whistleblowers?
(*) Zwischen 1997 und 2000 habe ich als Unternehmensberater für Deloitte Consulting Zürich und San Francisco im Bereich Change Management und IT Strategy gearbeitet.