Als der Nationalrat in der vergangenen Sommersession zwei Motionen zustimmte, welche den Ausstieg der Schweiz aus der Atomenergie zum Ziel haben, sprachen die einen von einem historischen Moment, andere kritisierten, es werde entschieden, bevor die entsprechenden Grundlagen vorliegen würden.
Ich halte die Zustimmung zu diesen Motionen – welche auch mit den Stimmen der Nationalrätinnen der EVP zustande kam, für wichtig. Historisch kann ich dies keineswegs nennen. Mit der Zustimmung zu einer Motion, also einem Auftrag, gesetzgeberisch aktiv zu werden, ist inhaltlich noch nichts entscheiden. Ob ein Entscheid schliesslich von historischer Bedeutung ist, kann ohnehin erst später von unabhängiger Seite einigermassen gültig beurteilt werden.
Wir müssen uns bewusst sein, dass mit der Zustimmung der Nationalrat erst zum Ausdruck brachte, dass kein neues Atomkraftwerk mehr gebaut werden soll, nicht mehr und nicht weniger. Sicher ist zudem, dass der Bundesrat in seiner jetzigen Zusammensetzung dem Parlament keine Vorlage für ein neues Atomkraftwerk unterbreiten wird.
Der Zentralvorstand der Evangelischen Volkspartei beschloss, die Atomausstiegsinitiative der Grünen Partei bereits in der laufenden Zeit der Unterschriftensammlung zu unterstützen; der Schreibende gehört dem Initiativkomitee an. Es genügt nicht, auf ein neues Werk zu verzichten, die bisherigen müssen gestaffelt innerhalb eines verantwortlichen Zeitrahmens abgeschaltet werden.
Der Nationalrat behandelte gleichzeitig weitere Motionen. Da ergaben sich aufgrund der Entscheide äusserst widersprüchliche Signale. Eine Motion, welche eine Mehrheit erreichte, will im Energiebereich das Verbandsbeschwerderecht zurückbinden. Dies wäre umweltpolitisch ein äusserst bedauerliches Signal. Deshalb hoffe ich sehr, dass der Ständerat hier anders stimmen wird. Das Verbandsbeschwerderecht der Umweltorganisationen hat eine wesentliche Bedeutung. Eine Volksinitiative der FDP des Kantons Zürich, welche dieses in der Tendenz abschaffen wollte, wurde vom Volk eindeutig abgelehnt.
Wir brauchen eine ganzheitliche, auf Nachhaltigkeit angelegte Energiepolitik. Die Politik und das persönliche Handeln erfordern eine konsequente Ausrichtung auf einen tieferen Energieverbrauch, eine höhere Energieeffizienz und eine Umorientierung auf erneuerbare Energieträger. Dies bedingt einen Strukturwandel, der nur mit lenkenden und stützenden Massnahmen erreichbar ist.
Heiner Studer, Präsident EVP Schweiz, alt Nationalrat, Wettingen