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Abstimmung 14. Juni 2015: „‘Stipendieninitiative‘ und indirekter Gegenvorschlag (Totalrevision des Ausbildungsbeitragsgesetzes)“

Das Stipendienwesen in der Schweiz ist heute kantonal geregelt. Um dieses schweizweit zu vereinheitlichen, ist die Volksinitiative zur Harmonisierung des Ausbildungsbeitragswesens lanciert worden. In Reaktion auf die zustande gekommene Volksinitiative wurde ein indirekter Gegenvorschlag entworfen. Über die Volksinitiative wird nun abgestimmt.

Ausgangslage

Für das Bildungssystem in der Schweiz teilen sich Bund und Kantone die Zuständigkeiten im nachobligatorischen Bildungsbereich (Sekundarstufe II und Tertiärbereich, welcher Universität, Fachhochschule und höhere Fachbildung umfasst). Derzeit liegt die Zuständigkeit für die Vergabe der Ausbildungsbeiträge (Stipendien und Studiendarlehen) bei den Kantonen. Diese werden für ihre Leistungen an Studierende vom Bund unterstützt. Der Studienerfolg auf der Tertiärstufe hängt wesentlich von der sozialen Herkunft der Studierenden ab. Die Chancengleichheit in der Schweiz hat sich im Bildungsbereich zwar verbessert. Trotzdem haben Kinder aus Akademikerfamilien noch immer bessere Voraussetzungen, Zugang zu höherer Bildung zu erhalten. Dies betrifft stark die universitären Hochschulen. Die Chancengleichheit bedingt, dass jeder mit entsprechenden Fähigkeiten und Leistungen ein Studium absolvieren kann. Dabei können Ausbildungsbeiträge eine tragende Rolle spielen.

Es gibt heute in der Schweiz zahlreiche Möglichkeiten, ein Stipendium für eine Ausbildung auf der Tertiärstufe zu erhalten: Ausbildungsbeiträge werden nicht nur durch Bund und Kantone, sondern auch durch Stiftungen und Vereine angeboten. Wichtig für ein funktionierendes Stipendienwesen ist die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen.

Das öffentliche Ausbildungsbeitragswesen liegt in der Zuständigkeit der Kantone. Der Bund gewährt selber nur Stipendien an ausländische Studierende in der Schweiz und an Studierende der Eidgenössischen Technischen Hochschulen sowie an Schweizer Studierende an einigen ausgewählten Europäischen Universitäten.

Der Bund kann darüber hinaus die interkantonale Harmonisierung in Bezug auf das Stipendienwesen fördern und Grundsätze dazu festzulegen. Jeder Kanton hat aber eine eigene Stipendiengesetzgebung. Unterstützt werden Personen, die sich in einer nachobligatorischen Ausbildung befinden, die zu einem staatlich anerkannten Abschluss führt. Die Anzahl unterstützter Studierender steigt seit Jahren an, obwohl der Umfang der kantonalen Ausbildungsbeiträge nominal praktisch unverändert geblieben ist.

Die Kantone vergaben im Jahr 2011 insgesamt knapp 306 Millionen Franken in Form von Stipendien und rund 20 Millionen Franken in Form von Studiendarlehen. Einen hohen Anteil davon erhalten die Studierenden auf der Tertiärstufe: Über die Hälfte des Stipendienbetrags (über 161 Millionen Franken, das entspricht 53 Prozent) gehen an sie. Insgesamt bezogen im Jahr 2011 von den etwa 600‘000 Personen in einer nachobligatorischen Ausbildung gut 47‘500 ein Stipendium, also rund 8 Prozent.

Es existieren unterschiedliche Vergabekriterien und Beitragshöhen. Der Erhalt von Ausbildungsbeiträgen hängt stark vom Wohnkanton ab. Im Kanton Graubünden ist die Chance auf ein Stipendium grösser als im Kanton Zürich. Auch die Höhe des gewährten Stipendienbetrages variiert stark zwischen den Kantonen.

Was wird geändert

Bei Annahme der Volksinitiative wird der Artikel 66 der Bundesverfassung geändert: die Vergabe von Ausbildungsbeiträgen an Studierende fällt in die Verantwortung des Bundes.

Gleich bleiben die Möglichkeit des Bundes, den Kantonen weiterhin Ausbildungsbeiträge zur Verfügung zu stellen sowie das Stipendienwesen in den Kantonen einander anzugleichen. Die Frage der Finanzierung ist nicht geregelt.

Auswirkungen

Bei Annahme der Initiative werden die Vergabekriterien für Stipendien neu durch den Bund definiert und vereinheitlicht. Er wird entscheiden, wer in welcher Situation wie hohe Stipendien erhält. Dabei wird die Frage der Stipendienvergabe und der Finanzierung auf Bundesebene beschlossen werden. Es findet also eine Verlagerung der Rechtsetzungskompetenz für den tertiären Bildungsbereich von den Kantonen auf den Bund statt. Der Vollzug bleibt aber bei den Kantonen.

Die Initiantinnen und Initianten streben dadurch eine Erhöhung der Förderquote von heute etwa neun Prozent auf 20 Prozent an.

Die bestehende Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen wird geändert, was sich auch auf die Ausbildungsbeiträge im Rahmen des Neuen Finanzausgleichs NFA auswirkt. Die Volksinitiative legt nicht fest, ob der Bund zukünftig die Finanzlast alleine zu tragen hat oder ob die Kantone weiterhin zahlungspflichtig sein sollen. Auch über die Höhe der allfälligen kantonalen Beiträge macht die Volksinitiative keine Angaben.

Es wird geschätzt, dass die Stipendienzahlungen im Tertiärbereich Gesamtkosten von über 600 Millionen Franken verursachen werden, womit etwa ein Fünftel der rund 250‘000 Studierenden finanziell unterstützt würden. Berücksichtigt man die bereits heute von Bund und Kantonen erbrachten Leistungen, so ergeben sich jährliche Mehrkosten in Höhe von fast 500 Millionen Franken für Bund und Kantone.

Bei Annahme der Initiative könnte der Bund künftig keine eigenen, anderweitigen Massnahmen zur Förderung der Ausbildung mehr ergreifen. Dies betrifft konkret den Wegfall der Stipendien an ausländische Studierende und Kunstschaffende in der Schweiz und der Stipendien in den Bereichen Bildung, Berufsbildung, Jugend und Mobilitätsförderung.

Wird die Initiative abgelehnt, tritt der indirekte Gegenvorschlag, die Totalrevision des Ausbildungsbeitragsgesetzes, in Kraft, wenn nicht dagegen das Referendum ergriffen wird. Dieses Gesetz regelt die Voraussetzungen für Beiträge des Bundes an die Kantone für ihre Ausbildungsausgaben im Tertiärbereich. Es behandelt aber nicht die Frage, welche Studierenden wie hohe Stipendien erhalten. Wird die Initiative abgelehnt, werden nur noch diejenigen Kantone Bundesbeiträge für die Ausbildung erhalten, welche die Harmonisierungsbestimmungen des Stipendienkonkordats erfüllen. Die Verfassung würde nicht geändert. Die Bundessubvention würde weiterhin anhand der Wohnbevölkerung pauschal ausgerichtet werden. Der NFA würde dabei die Unterschiede in der Wirtschaftskraft und der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kantone ausgleichen.

Die Gesetzesänderungen gemäss dem Gegenvorschlag ziehen keine zusätzlichen Ausgaben und Personalaufwendungen nach sich.

Argumente dafür

Die heutige kantonale Stipendienvergabe sei unfair, da diese vom Wohnkanton abhängt und nicht in erster Linie von der finanziellen Situation der Studierenden.

Der indirekte Gegenvorschlag löse das Problem der unfairen Stipendienvergabe nicht. Er gäbe den Kantonen nur einige Grundregeln vor, welche Personen überhaupt Stipendien beziehen könnten. Die unfairen Unterschiede zwischen den Kantonen blieben dabei aber bestehen.

Die Harmonisierung des Stipendienwesens werde durch den Vorschlag der Initiative erreicht, ohne dabei die Schulhoheit der Kantone zu beschränken.

Künftig erhielten alle, die ein Stipendium benötigten, auch eines in der richtigen Höhe.

Die fairere Stipendienvergabe wirke dem Fachkräftemangel entgegen. Viele taltentierte junge Menschen könnten sich ein Studium oder eine Weiterbildung ohne angemessene Unterstützung nicht leisten.

Argumente dagegen

Die Volksinitiative störe den kantonalen Harmonisierungsprozess (Stipendienkonkordat). Bis zu einer genauen Festlegung der neuen Verfassungsbestimmungen auf Gesetzesstufe werde jahrelange Unsicherheit über die Ausgestaltung des Ausbildungsbeitragswesens herrschen. Die Kantone hätten zudem keinen Anreiz, ihre kantonalen Stipendiengesetze den Anforderungen des Konkordats anzupassen.

Der indirekte Gegenvorschlag unterstütze die kantonalen Harmonisierungsbestrebungen und mache den Erhalt von Bundessubventionen von einer Beteiligung der Kantone daran abhängig. Dies werde die noch bestehenden Unterschiede in den kantonalen Stipendiengesetzen verringern.

Der Harmonisierungsprozess werde durch den indirekten Gegenvorschlag beschleunigt. Die Beantragung von Ausbildungsbeiträgen werde dadurch bundesweit einheitlicher und einfacher, ohne dem Bund neue Kompetenzen verleihen zu müssen.

Die Anspruchsberechtigung der Studierenden zu definieren sowie die Höhe der Ausbildungsbeiträge festzulegen sei Aufgabe der Kantone. Eine Zentralisierung sei nicht nötig.

Die höheren Ausbildungsbeiträge bei Annahme der Initiative steigere die Attraktivität einer Tertiärausbildung. Deshalb wäre mit steigender Studierendenzahl zu rechnen, was die Kosten erneut hochtreibe. Wie dies finanziert würde, sei offen.

Literaturverzeichnis

Admin.ch (2013). Botschaft zur «Stipendieninitiative» und zum indirekten Gegenvorschlag (Totalrevision des Ausbildungsbeitragsgesetzes). Gefunden am 04. April 2015 unter Link

EDK (2015). Bildungssystem Schweiz. Gefunden am 04. April 2015 unter Link

FDP. Die Liberalen. Ja zu einem fairen Stipendiensystem – Nein zur Stipendieninitiative! Gefunden am 17.04.2015 unter Link

SP (2015). Stipendieninitiative Gefunden am 17.05.2015 unter Link

SVP (2015). Nein zur Stipendieninitiative und zur Präimplantationsdiagnostik. Gefunden am 17.05.2015 unter Link

VSS-UNES-USU (2015). Ja zur Stipendieninitiative – indirekter Gegenvorschlag genügt den Studierenden nicht. Gefunden am 04. April unter Link

VSS-UNES-USU (n.d.) Ja zur Stipendieninitiative – Argumentarium. Gefunden am 17.04. 2015 unter Link

text_Stipendieninitiative_final.pdf – PDF

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